Fundament für Erfolg: Digital-Kultur und Cloud Publishing (Bericht zum priint:day)

Am 3. und 4. Mai 2018 war der neunte priint:day von priint Group/Werk II GmbH. Er gehört zu den bedeutendsten Konferenzen für Multi-Channel-Publishing, in diesem Jahr mit über 250 Teilnehmern. Auch heuer wieder auf Schloss Montabaur (zwischen Frankfurt und Köln), eine Location, kaum zu toppen. Die Gastgeber sind gleichzeitig die Hersteller der priint:suite (darunter priint:comet), eine der beliebtesten Multi-Channel-Publishing-Plattformen.

Fundament für Erfolg: Digital-Kultur und Cloud Publishing (Bericht zum priint:day)

Haeme Ulrich

Der Publishing-Experte Haeme Ulrich ist bekannt für neutrale Beratung, praxisnahe Trainings und unkomplizierte Unterstützung. Seine Schwerpunkte sind Digital-Kultur, Multi-Channel-Publishing, WordPress und InDesign.
haeme@haemeulrich.com | haemeulrich.com publishingblog.ch 

Wer sich nicht selber abschaffen will, liest hier weiter…

Dies fast der Titel meines Vortrages auf dem priint:day. Unter «Wer sich nicht selber abschaffen will, ist hier richtig» durfte ich ein Destillat meiner Ideen, Erfahrungen und Tipps zur Digitalisierung der Publishing-Branche teilen. Hier eine Nachlese.

Es gibt genau zwei Möglichkeiten, mit der Digitalisierung umzugehen: Verschliessen oder Flucht nach vorne. Viel schöner beschreibt das der Spruch: «Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern» – für mich kommen nur Windmühlen in Frage.

Um zu verstehen, was heute abgeht, habe ich vor längerer Zeit mal begonnen, die Änderungen im Publishing auf einer Zeitachse einzuzeichnen.

Dabei wird klar: Technologie und Kultur haben sich mit dem Jahrhundertwechsel auch gewechselt. Während aus dem klassischen DTP (Desktop Publishing) jetzt Cloud Publishing geworden ist, hat sich die Kultur von der Industrialisierung zur Digital-Kultur gewandelt.

Cloud Publishing ersetzt (endlich) Desktop Publishing

1985 hat die Layoutsoftware Aldus PageMaker die Publishing-Welt auf den Kopf gestellt. Was war neu? Man hat Rähmchen aufgezogen und diese verschoben. Und was macht man heute mit InDesign, Xpress und wie sie alle heissen? Man zieht Rähmchen auf und verschiebt sie. 30 Jahre Stillstand. Dabei ginge es heute anders: Ich nenne es «Cloud Publishing». Damit meine ich nicht, dass alles Facebook und Google gehört. Damit meine ich, mit Web-Technologie Publishing zu machen. Und zwar für alle Ausgabekanäle, nicht bloss fürs Web.

Wie das geht, habe ich an zwei Praxisbeispielen aufgezeigt: «CSS Paged Media Module» (auch bekannt unter «Print CSS»), eine CSS-Erweiterung, mit welcher XML und HTML für Print-Layouts formatiert werden kann. Mit Beschnitt, Sonderfarben und allem, was die Jünger Gutenbergs so brauchen. Aber ohne InDesign, Xpress, PageMaker – eben mit Web-Technologie.

Nicht minder spannend finde ich mein zweites Beispiel. Eine Low-Budget-Lösung für Multi-Channel-Publishing in kleinen Umgebungen: Die InDesign-Erweiterung «press2id», welche InDesign mit WordPress verbindet. Und zwar holt sich InDesign Inhalt aus dem Web CMS über die beiden Web-Standards REST (Schnittstelle) und JSON (Datenformat). Alles (ausser InDesign) OpenSource und alles Web-Technologie. Hier «press2id» in der Praxis:

Noch wichtiger als Technologie: Die Digital-Kultur

«Digitale Transformation» heisst das Zauberwort. Doch es ist falsch. Eine Transformation ist eine einmalige Sache mit Start und Ende. Beispiel: Eine Raupe transformiert sich zum Schmetterling. Der Schmetterling bleibt aber dann so, wie er ist. Das ist in der Digitalisierung anders. Es wird sich künftig immer alles ändern. Daher spreche ich lieber von einer neuen Kultur, der «Digital-Kultur», der Kultur der Veränderung. Damit meine ich nicht eine digitale Kultur, das wäre schrecklich! So lange wir Menschen analog sind, wird auch die Kultur nicht digital sein.

Wer, wie oben beschrieben, «Windmühlen statt Mauern baut», sollte sich nicht nur technologisch weg von DTP bewegen. Noch wichtiger ist der kulturelle Wechsel. Persönlich, im Team, in der Firma.

Es geht um eine neue Vernetzung. Während in der Industrialisierung «vertikal» vernetzt wurde, kommt jetzt die «horizontale» Vernetzung hinzu. Die vertikale Vernetzung war die Effizienz-Steigerung. Prozesse wurden standardisiert und damit automatisierbar. Das reicht aber in der Digital-Kultur nicht. Weil gar nicht mehr klar ist, wie der Prozess morgen aussieht. Weil sich die Anforderungen regelmässig ändern (merke: es ändert sich jetzt immer alles), muss nebst der Effizienz vor allem die Effektivität sichergestellt sein. Effektivität: Die richtigen Dinge tun – Effizienz: Die Dinge richtig tun. Was nun effektiv ist (also die richtige Sache), findet niemand mehr im Alleingang heraus. Es braucht das Miteinander über Hierarchien, das Miteinander mit Lieferanten, das Miteinander mit Kunden, das Miteinander mit Marktbegleitern – eben die horizontale Vernetzung.

Woran erkennst du Firmen der Digital-Kultur?

Ob eine Firma bereits die Digital-Kultur lebt, ist leicht zu erkennen. Hat der Chef neben dem Haupteingang einen angeschriebenen Parkplatz, ist die horizontale Vernetzung nicht weit fortgeschritten 😉

Spass beiseite, es gibt noch deutlichere Merkmale der Digital-Kultur:

  • Wichtiger als Profit ist die Vision
  • Wichtiger als Hierarchie ist die horizontale Vernetzung
  • Wichtiger als Controlling ist Ermutigung
  • Wichtiger als Planung sind Prototypen
  • Wichtiger als Geheimnisse sind Transparenz und Vertrauen