Künstliche Intelligenz: Rechtliche Aspekte für Schreibende
Wie sieht das Urheberrecht für KI-generierte Inhalte aus? Wer haftet für diese? Wie kann Datenschutz gewährleistet werden? Ein Blick auf rechtliche Aspekte von Künstlicher Intelligenz.
Erstellt von Marina Schinner am 25.09.2023 in Redaktion & Publishing , Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz ist immer häufiger ein willkommenes Hilfsmittel in den Bereichen Marketing, IT und Redaktion. Denn gerade beim Verfassen von Inhalten wird die Effizienz gesteigert – durch die Integration von KI und damit Tools wie ChatGPT. Doch bevor die KI-generierten Texte verwendet werden, sollten folgende rechtliche Aspekte berücksichtigt werden:
- Urheberrecht und geistiges Eigentum
- Datenschutz und Einhaltung DSGVO / revDSG
- Haftung und Schaden
- Transparenz
Das Thema der Rechtslage in Verbindung mit KI ist aktueller als die Technologie selbst: In den USA sehen sich Open AI, Microsoft und Google Millionenklagen gegenüber, wie Georg Fechner, Rechtsanwalt für gewerblichen Rechtschutz, auf HORIZONT berichtete. Der Vorwurf gegenüber den Betreibern der Tools wie ChatGPT: Datendiebstahl in einem noch nie dagewesenen Ausmass. Zwar sieht Georg Fechner die Gefahr für Klagen in Europa als niedrig an, dennoch sollten Unternehmen rechtskonform agieren. In der EU wird der Einsatz Künstlicher Intelligenz durch das KI-Gesetz geregelt – das weltweit erste umfassende KI-Gesetz. Mit diesem will die EU als Teil ihrer digitalen Strategie Künstliche Intelligenz regulieren, um bessere Bedingungen für die Entwicklung und Nutzung dieser innovativen Technologie zu schaffen. Das Europäische Parlament will vor allem sicherstellen, dass die in der EU eingesetzten KI-Systeme
- sicher,
- transparent,
- nachvollziehbar,
- nicht diskriminierend und
- umweltfreundlich sind.
Künstliche Intelligenz: Wie funktionieren ChatGPT und Co.?
«Tools wie ChatGPT sind eigentlich asoziale Textgeneratoren ohne Moral, die wie stochastische Papageien alles nachplappern und darauf trainiert sind, Gespräche zu simulieren. Sie haben keine Gefühle und kennen auch nicht die Grenzen zwischen Fiktion und Fakten. Das heisst, ChatGPT erfindet auch Sachen bzw. halluziniert. Ausserdem fehlt es ChatGPT an emotionaler Intelligenz. Das Tool kann zwar auf Basis einer grossen Datenmenge schwierige Probleme lösen, aber es hat nicht die Fähigkeit, komplexe menschliche Probleme umfassend zu verstehen – auf jeden Fall nicht zum aktuellen Zeitpunkt.»
Anne-Sophie Morand, Rechtsanwältin, Dr. iur., LL.M. in IT Law und Dozentin HSLU Luzern
Um zu verstehen, wie Inhalte mithilfe von Künstlicher Intelligenz überhaupt entstehen können, lohnt es sich, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Fragt man ChatGPT, wie es denn eigentlich funktioniert, erhält man folgende Antwort:
«ChatGPT funktioniert mithilfe eines tiefen neuronalen Netzwerks, das auf Texteingaben reagiert. Es wurde trainiert, auf Textfragen und Anfragen zu antworten, indem es Muster und Informationen aus grossen Textmengen gelernt hat. Es versucht, sinnvolle und kontextbezogene Antworten basierend auf den ihm bekannten Informationen zu generieren. Es kann eine Vielzahl von Fragen beantworten und einfache Aufgaben ausführen, die auf Textverständnis und -generierung basieren.»
Soweit so gut. Werfen wir einen Blick ins Detail: Die Abkürzung GPT steht für «Generative Pre-trained Transformer», also wie ChatGPT Anfragen verarbeitet und Antworten formuliert. Dieser Transformer verwendet spezielle Algorithmen, um Muster in bestimmten Datensequenzen zu finden. Das verwendete Sprachmodell ist ein maschinelles Lernmodell in Form eines neuronalen Netzwerkes. Um eine Antwort oder einen Inhalt zu formulieren, greift der Transformer auf eine grosse Menge an Daten zurück. Zudem verwendet ChatGPT Deep Learning – eine Untergruppe des maschinellen Lernens. Dank neuronalen Transformer-Netzwerken erzeugt das Tool menschenähnliche Texte. Nach momentanem Stand verwendet ChatGPT nur Daten bis zum Jahr 2021 – entsprechende Informationen können also bereits veraltet sein.
Künstliche Intelligenz: Urheberrecht und geistiges Eigentum
Hat Künstliche Intelligenz eigenständig Inhalte generiert? Dann ist die Lage laut Rechtsanwalt Georg Fechner klar: Mittels KI erzeugte Inhalte sind rechtlich nicht schutzfähig. Denn laut Urheberrechtsgesetz (UrhG) handelt es sich bei einem Urheber um den Schöpfer eines Werkes. Künstliche Intelligenz kann jedoch keine persönlichen geistigen Schöpfungen erschaffen. KI-generierte Inhalte sind somit «gemeinfrei». Eine rechtliche Grauzone sind Texte, die von einem Menschen und KI gemeinsam erstellt wurden. In solchen Fällen sollte eine detaillierte Analyse der jeweiligen Schöpfungsprozesse durchgeführt werden, um Klarheit über die Urheberschaft zu erlangen.
Ein weiterer Knackpunkt sind entsprechend trainierte Künstliche Intelligenzen. Denn hier kann die Gefahr bestehen, dass Künstliche Intelligenz ein bestehendes Urheberrecht verletzt. Das kann der Fall sein, wenn die erstellten Inhalte zu nah an den urheberrechtlich geschützten Werken sind, mit denen das Tool trainiert wurde. Auch hier entscheiden Gerichte über den Einzelfall. Ähnlich sieht es mit Bildern aus – ähneln die generierten Bilder urheberrechtlich geschützten Werken zu stark, kann eine Urheberrechtsverletzung vorliegen. Die entsprechende individuelle Beurteilung müssen Gerichte vornehmen.
Sie möchten sicher gehen? Dann sollten Sie die Inhalte vor der Veröffentlichung manuell prüfen.
Künstliche Intelligenz: Datenschutz und Einhaltung DSGVO / revDSG
«Italienische Datenschutzbehörde sperrt ChatGPT». Solche Schlagzeilen machten erst im März 2023 die Runde. ChatGPT wurde in Italien mit sofortiger Wirkung gesperrt. Der Grund: Das Sammeln personenbezogener Daten sowie fehlender Jugendschutz. Mittlerweile ist das Verbot wieder aufgehoben. Was jedoch in Italien kritisiert wird, ist auch für die Schweiz und für Deutschland nicht abwegig. Denn besonders aus datenschutzrechtlicher Sicht ist bei der Nutzung von KI-Tools Vorsicht geboten, die Anforderungen der DSGVO und revDSG sind beispielsweise nur unzureichend erfüllt. Hat sich die Schweiz als Mitgliedstaat der European Free Trade Association (EFTA) bislang auch an die DSGVO gehalten, gibt es seit September 2023 mit der revDSG ein totalrevidiertes Gesetz für den besseren Schutz der Daten. Damit ersetzt die Schweiz ihr Datenschutzgesetz von 1992 und nähert sich dem Datenschutzniveau der Europäischen Union an.
Was bedeutet das für Sie?
Über die Angabe der persönlichen Daten bei der Registrierung hinaus sollten keine persönlichen Daten eingegeben werden. Die Weiternutzung dieser Daten kann zum momentanen Zeitpunkt nicht wirksam ausgeschlossen werden. Das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und Künstlicher Intelligenz bleibt vorerst bestehen. Um folgende datenschutzrechtliche Herausforderungen geht es momentan laut der Anwaltskanzlei reuschlaw:
- Richtigkeit der Datenverarbeitung: Die DSGVO fordert, dass nur sachlich richtige personenbezogene Daten verarbeitet werden. Unrichtige personenbezogene Daten müssen unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden.
- Rechtsgrundlage – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Für jede Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist eine Rechtsgrundlage erforderlich. Nach § 44 b Abs. 1 Urheberrechtsgesetz ist Text und Data Mining ausdrücklich erlaubt. Die Rechtsgrundlage ist in diesem Fall ein berechtigtes Interesse. Ob das Interesse des Verantwortlichen das Interesse der Betroffenen überwiegt, ist jedoch im Einzelfall zu prüfen.
- Transparente Datenschutzinformation: Datenverarbeitung muss für den Betroffenen transparent gemacht werden. Das gilt sowohl für die direkte Erhebung personenbezogener Daten als auch für Erhebung von Daten durch Dritte.
Künstliche Intelligenz: Haftung und Schaden
Wer haftet im Schadensfall für die möglichen Fehler Künstlicher Intelligenz? Die Entwickler, die Betreiber oder die Nutzer? Der Blackbox-Effekt, also die Komplexität, Autonomie und Undurchsichtigkeit Künstlicher Intelligenz, erschwert zum momentanen Zeitpunkt die Zuordnung, ob das Handeln der KI unrechtmässig ist. Diese Zuordnung ist jedoch eine zwingende Voraussetzung für entsprechende Schadensersatzansprüche. Um potenzielle Risiken einzudämmen, etablierte die Europäische Union die KI-Verordnung (AI Act (AIA)) sowie die KI-Haftungsrichtlinie (AI Liability Directive). Das Hauptziel besteht darin, ethische Standards festzulegen und sicherzustellen, dass KI-Systeme sicher und vertrauenswürdig sind. Mit der KI-Haftungs-Richtlinie sollen zudem spezifische Vorschriften für durch KI-Systeme verursachte Schäden eingeführt werden. Der Fokus liegt dabei auf zwei Aspekten:
- Geschädigte sollen aufgrund der Kausalitätsvermutung von der Pflicht entbunden werden, die Ursächlichkeit des Schadens darzulegen.
- Opfer von Hochrisiko-KI-Systemen erhalten einen verbesserten Zugang zu Beweismitteln durch einen Anspruch auf Offenlegung entsprechender Informationen.
Die Haftung hängt zudem von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Grad der Kenntnis über die Rechteverletzung und dem Umfang der KI-Nutzung.
«Auch wenn der AI Act für die Schweiz nicht direkt anwendbar ist, so entfaltet er in gewissen Szenarien eine extraterritoriale Wirkung und gilt damit teilweise auch für Schweizer Unternehmen. Dies ist der Fall, wenn Schweizer Anbieter KI-Systeme in der EU in Verkehr bringen oder wenn Schweizer Anbieter und Nutzer das vom KI-System hervorgebrachte Ergebnis in der EU verwenden. Die meisten KI-Anbieter werden keine eigenen Produkte nur für die Schweiz entwickeln, daher werden sich neue europäische Standards auch in der Schweiz verbreiten.»
Anne-Sophie Morand, Rechtsanwältin, Dr. iur., LL.M. in IT Law und Dozentin HSLU Luzern
Was bedeutet das nun für Schreibende?
Wenn Sie einen KI-generierten Text verwenden, sollten Sie die Richtigkeit und Rechtmässigkeit der übernommenen Inhalte immer manuell überprüfen. Und davon ausgehen, dass Sie im Schadensfall für die Inhalte haftbar gemacht werden können. Denn die Feststellung der Haftung kann ein langwieriger Prozess werden, der von Fall zu Fall individuell entschieden wird.
Künstliche Intelligenz: Transparenz und Ethik
Sollten Texte, die mit Künstlicher Intelligenz erstellt werden, als solche gekennzeichnet werden? Oftmals sind KI-generierte Inhalte so gut, dass nicht mehr unterschieden werden kann, ob sie von Mensch oder Maschine verfasst wurden. Eine Kennzeichnungspflicht gibt es Stand heute nicht. Mit Transparenz können Missbrauch, Manipulation und Diskriminierung verhindert und eine ethisch vertretbare Nutzung von Künstlicher Intelligenz gewährleistet werden. Sabrina Meier, Head of Innovations & Strategy a&f systems ag, vertritt eine klare Meinung:
«Es braucht Transparenz. Das sage ich jetzt nicht nur aus der Sicht meiner aktuellen Position bei der a&f systems, sondern auch als langjährige Journalistin. Der Konsument muss wissen, womit er konfrontiert ist, wie ein Inhalt entstanden ist, um den Inhalt auch vor diesem Hintergrund einordnen zu können. ‚Deklarieren‘ an sich ist meiner Erfahrung nach negativ konnotiert. Das muss sich ändern.»
Künstliche Intelligenz: Ein Fazit
Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in schreibenden Prozessen bietet zweifellos viele Vorteile, aber sie bringt auch komplexe rechtliche Herausforderungen mit sich. Marketingverantwortliche, IT-Leiter und Redaktionen sollten sich dieser Herausforderungen bewusst sein und eng mit juristischen Experten zusammenarbeiten. So können sie sicherstellen, dass ihre KI-gestützten Aktivitäten den geltenden Gesetzen und Vorschriften entsprechen. Eine sorgfältige Planung und Gegenkontrolle hilft, um die Vorteile von KI in schreibenden Prozessen voll auszuschöpfen, ohne rechtliche Risiken einzugehen.